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Klassik Heute (Germany) 10/10/10


March 1, 2015

Christoph Schlüren

Selbstverständlich bleibt eine ganze Menge auf der Strecke, wenn man die Violinsonaten op. 5, das kammermusikalische Hauptwerk Arcangelo Corellis, von der Violine auf die Blockflöte überträgt, und den, der die Stücke kennt, wird sicher irritieren, wie oft die Melodie aufgrund des eingeschränkten Tonumfangs in die Gegenrichtung springen muss, und natürlich besonders die wunderschönen Doppelgriff-Passagen vermissen. So schön das alles ist, ist es doch nicht das Wesentliche am Corelli’schen Tonsatz, der auch dann in ungeminderter Charakteristik und Pracht zum Tragen kommt, wenn die Ausdrucksmittel auf jenes geradlinige Minimum fokussiert werden, welches die Blockflöte in höchster Konzentration und Reinheit verkörpert symbolisiert.
Wenn dies trotz aller Verluste eine der schönsten Corelli-Aufnahmen der Geschichte ist, so hauptsächlich dank der grandiosen Präsenz von Michala Petri, der weiterhin unangefochtenen Maestra assoluta der Blockflöte. Ihr Spiel wurde jahrelang von den Konkurrenten aus den diversen Alte-Musik-Lagern oft harsch kritisiert: zu kühl perfekt, zu wenig affektbetont, zu klinisch präzise… Nichts davon ist auch nur ansatzweise wahr. Petri lässt ihr Instrument einfach das sein, was es ist, und versucht nicht, mit extremen Tonschwellungen oder waberndem Vibrato ein behindertes Streichinstrument zu imitieren. Ihre Kunst liegt jedoch in der subtilen Verwendung der Ausdrucksmittel und in einer höchst ungewöhnlichen energetischen Konzentration, und ohnehin in einer technisch-tonlichen Makellosigkeit und Schönheit, die immer wieder staunen machen. Ihr Partner ist der exzellente iranische, in London unterrichtende Cembalist Mahan Esfahani, der hier den 1992er Nachbau (Alain Anselm) eines italienischen Instruments der Corelli-Zeit spielt und mit seiner Lebendigkeit, sowohl spontan zierreichen als auch unmissverständlich pulsierenden Artikulationsweise und intelligenten Brillianz weit mehr als ein wendiger und wacher Begeiter ist.
Schade finde ich hier lediglich, dass die langsamen Sätze allzu flüchtig und geschwinde genommen werden und so nicht der Zauber entfacht wird, der potenziell enthalten ist. Und kritisieren, wenn auch mit Einschränkung, muss ich allenfalls gelegentlich die Art der umspielenden Verzierungen, die Michala Petri zwar meist mit viel Geschmack und Einfallsreichtum anbringt, wo es mir jedoch immer wieder so geht, dass die noble, pure Melodik des unverzierten Corelli’schen Originals schlicht mehr Größe hat und Weite atmet. Hier wäre oft weniger viel mehr. Andererseits ist es jedes Mal interessant, bei Wiederholungen die umfangreichen Wandlungen zu verfolgen, die Petri dem melodischen Rankenwerk angedeihen lässt.
Der Klang in der Kopenhagener Garnisonskirken ist ausgezeichnet eingefangen, voll, rund und klar, wobei es nicht einfach ist, unter solch halligen Umständen einen durchweg funktionierenden Ausgleich zwischen Blockflöte und Cembalo herzustellen. Dazu gibt’s einen kompetent informierenden Booklet-Text von Esfahani selbst.
Dies waren also nun die Sonaten Nr. 7-12 aus dem wundervollen Opus V von Corelli, und es steht zu hoffen, dass die ersten sechs Sonaten noch folgen werden. Die wenigen kritischen Einwände können nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich hier um Musizieren höchsten Karats handelt, dem zu lauschen nicht nur den zahlreichen Fans der Blockflöte und Liebhabern des italienischen Barock empfohlen sei, sondern überhaupt jedem ohne Scheuklappen Interessierten.
Christoph Schlüren [02.03.2015]

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